Wie schnell sich doch Dinge ändern können, wenn nur genug Druck da ist

Hätten Sie diese Wucht, um nicht zu sagen, diesen WUMMS erwartet, mit dem Corona unsere Arbeitswelt verändert hat?

Bis zum April 2020 war ich berufsbedingt sehr viel unterwegs. Ich habe in einem Berufsleben mehr Züge und Flugzeuge von innen kennengelernt, als mir lieb ist. Nicht weil ich als Reisende meine Selbstbestimmung mit dem Kauf eines Tickets abgebe und Verspätungen, Turbulenzen und Tomatensaftangriffen hilflos ausgeliefert bin, sondern weil sich das Reisen bislang als der Zeitfresser in meinem Alltag entpuppte.

Trotz aller Möglichkeiten von Wlan, Handy und Notebook, die Konzentrationsfähigkeit war jedenfalls bei mir gering. Ich musste regelmäßig nachsitzen. Und Autofahren war erst recht verschwendete Zeit.

Frustriert fragte ich mich, ist das viele Reisen eigentlich noch zeitgemäß?

Warum nicht Videokonferenzen mit Kunden durchführen, warum nicht im Home Office Konzepte entwickeln statt im Büro oder beim Kunden? 

Wenn ich mich aber im eigenen Firmenumfeld so umschaute, hatte ich das ungute Gefühl, dass die, die ständig für den Chef sichtbar waren, im Gegensatz zu denen, die nicht täglich sichtbar waren, eher die Karriereleiter hochfielen. Ich hegte den Verdacht, dass häufige Abwesenheit und insbesondere Home Office zwar geduldet wurde, aber nicht wirklich akzeptiert war.

Aber woher sollte diese Akzeptanz auch kommen?

Vielleicht traute das Unternehmen seinen Mitarbeitern nicht über den Weg? Oder vielleicht wusste die IT ja gar nicht, was alles digital machbar ist? Und dann kam CORONA! Plötzlich war das Büro ein lebensbedrohlicher Ort, wo nicht mehr nur am Stuhl gesägt wurde, sondern nun auch noch boshafte Viren auf einen lauerten.

Das Zauberwort war jetzt Home Office.

Fortan blieb das Auto in der Garage und die Autobahn leer. Die Luft wurde spürbar besser, der Geräuschpegel der Autobahn deutlich geringer und die Anlieger von Flughäfen konnten mit offenem Fenster schlafen. Vorbereitet auf einen solchen Wandel waren wir alle jedoch nicht.

Es war und ist noch immer wie eine Expedition ins Neuland. Um zur Arbeit zu gehen und wieder zurück zu kommen, sind jetzt nur noch wenige Schritte von Nöten. Das hat schon etwas von einem Wurmloch. 

Ich habe inzwischen mit vielen Menschen gesprochen. Einige wurden von Videokonferenzen am Anfang überrollt, das pendelte sich dann langsam ein. Einige stellten fest, dass Deutschland in Sachen schnelles Internet, nett ausgedrückt, noch ausbaufähig ist. 

Einige würden gerne wieder im Auto oder der S-Bahn sitzen, um überhaupt mal rauszukommen. Einige sehnen sich in ihr ruhiges Büro zurück, denn daheim ist die Familie, der bohrende Handwerker in der Nachbarwohnung oder die jeden Tag  kärchernde Nachbarin.

Anderseits hörte ich sehr häufig von denen, die mit ruhigen Nachbarn, einem Single Dasein oder abschließbaren Arbeitszimmer versehen waren, dass das Arbeiten ohne Großraumbüro-Tinnitus viel schnellere und bessere Ergebnisse hervorbrachte.

Wir wurden durch Corona gezwungen, anders zu denken und zu arbeiten.

Es hätte vermutlich Jahre gebraucht, bis dieser Grad an Veränderung in unseren Unternehmen erreicht bzw. erlaubt worden wäre.

Der Ball rollt nun, die Spieler sind auf dem Feld. Tools zur Zusammenarbeit sind rasant etabliert worden. Nachdem ganze Firmennetze aufgrund der externen Traffic in die Knie gingen, hat die IT auch schnell aufgerüstet. Hygiene-und Bürobelegungskonzepte sind immer mehr vorhanden. 

Und glücklich die Unternehmen, die über große Meetingräume verfügen. Inzwischen finden dort wieder absolut notwendige Mitarbeitermeetings mit ganz viel Abstand statt – gut, vorher nannte man den Meetingraum auch Auditorium.

Was mich aber ärgert ist, dass es erst eines lebensbedrohlichen Virus bedurfte, um die Mehrheit der Unternehmen dazu zu bringen, sich auf das Konzept Home Office einzulassen.

Home Office ist nun dabei, sich zu etablieren, nicht für 5 Tage die Woche, so doch regelmäßig. Klar, es muss noch viel bedacht werden. 

Natürlich besteht auch ein erhöhter Bedarf, in Sachen Security und Datenschutz genau hinzuschauen und aufzurüsten. Es geht z.B. um Schutzkonzepte für Unternehmensdaten. Wer hat wann auf was von wo aus mit welchen Rechten wie Zugriff? Ein wunderbares Projekt für die Abteilung Data Management.

Mit Tools wie Miro, Mural, MS Teams, MS Whiteboarding, Slack, Zoom etc. verändert sich jetzt nicht nur die Art der Kommunikation, sondern auch die Art der Zusammenarbeit. 

Es wird viel mehr Selbstverantwortung und Selbstorganisation von Mitarbeitern*innen gefordert. Diese Veränderungen im Handeln und Denken müssen die Unternehmen professionell vorbereiten und begleiten. 

Einige Unternehmen setzen inzwischen neue Projekte auf, um das agile Arbeiten im Unternehmen zu etablieren. Wir haben jetzt die Chance, vieles zu ändern.

Natürlich muss der Gesetzgeber die bisherigen Regelungen nochmal genau anschauen und ggf. entmisten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch gesetzestechnisch aufrüstet wird. Nicht umsonst wird gerade über das Recht auf Home Office diskutiert.

Aber es ist nicht nur der Gesetzgeber gefordert.
Das gilt auch für die Führungskräfte.

Führen hieß immer noch sehr häufig, Hierarchien leben und dem Mitarbeiter beim Arbeiten über die Schulter schauen. Ich kenne tatsächlich Führungskräfte, die meinen, Mitarbeiter*innen gar nicht in der Jahresbeurteilung richtig bewerten zu können, weil man sich ja nicht ständig sehen würde. 

Damit hat es sich nun. Führungskräfte müssen eine andere Art der Beziehung zu ihren Mitarbeitern*innen aufbauen. Das wird für manche eine echte Herausforderung. Und es geht noch weiter.

Führungskräfte werden sich in Zukunft nicht mehr über ihren bloßen Rang Respekt einholen, sondern über ihre Fähigkeit über Distanz in gutem Kontakt zu bleiben, fachlich und menschlich zu überzeugen, zu coachen, zu moderieren und darüber, Arbeitsumgebungen und ein Klima zu schaffen, das Kreativität zulässt.

Stichwort: „Agiles Management“
Nicht jede Führungskraft wird damit klarkommen. 

Es werden sich noch viele Fragen stellen. Wir alle als Gesellschaft, als wertschöpfender Mitarbeiter*in oder Unternehmer*in und der Gesetzgeber müssen auf intelligente Fragen intelligente Antworten finden.

Ich bin gespannt, ob Deutschland diese Chance ergreift und nicht eine Rolle rückwärts vollführt, sobald Corona an Bedeutung verliert.