Verantwortung tragen ist DER Markenkern einer Führungskraft

Früher – vor Jahrzehnten – waren Führungskräfte bewunderte, teils gefürchtete Menschen. Vor allem aber Menschen, zu denen man als „Untergebener“ Abstand zu halten hatte. Sie verschanzten sich hinter ledergepolsterten Türen mit einem Zerberus als Sekretärin davor. Einen Termin beim Chef zu haben, machte da schon schlaflose Nächte. Aber man verließ sich auf diese „Kapitäne“, in der Annahme, dass der Chef schon weiß, was gut ist. 

Heute – in einer weitaus komplexeren Welt, in der Informationen in Sekundenbruchteilen um den Globus fliegen, Entscheidungen rasant gefällt werden müssen, um kein Geld zu verlieren, oder havarierte Containerschiffe die Bilanz verhageln können, weil Warenströme weltweit eben reibungslos zirkulieren müssen, ja heute kann man es fast nicht mehr wagen, quasi im Alleingang zu wissen, was gut für sein Unternehmen ist.

Der einsame Unternehmenslenker ist bis auf ganz wenige Ausnahmen inzwischen Geschichte.

Der Führungsstil ist immer kooperativer. Als Folge davon werden Teams nicht nur mehr mit dem Tagesgeschäft betraut, sondern stärker informiert über Geschehnisse der Unternehmensentwicklung. Das zeugt von Wertschätzung. Natürlich soll sich das auch rechnen. Informierte und involvierte Menschen sind produktiver, belastbarer und loyaler.

Ein besonders erfolgreiches Mittel, um Wertschätzung zu zeigen, ist bekanntlich die Bitte, seine Sichtweise zu einem Thema doch mit einem zu teilen. Wenn man nun viele darum bittet, dann ist es aber nicht nur die Wertschätzung vieler, die angepeilt wird, man kann sich auch den Wissenspool faktisch zu Nutze machen. 

Das bietet sich gerade bei anspruchsvollen Themen an, denn das Wissen Vieler schafft eine bessere Erfolgsquote bei Entscheidungen, als das Wissen und Können einer einzigen Person. Deshalb erlangte die Idee der „Kollektiven Intelligenz“, diese „Weisheit der Massen“, auch „Wisdom of Crowd“ genannt, seit etwa dem Jahr 2000 immer mehr Aufmerksamkeit.

Daraus wurde dann später das Crowdsourcing abgeleitet, ein operativer Ansatz, der zur Ideenfindung gerne verwendet wird und heute z.B. in Bereichen wie Forschung, Produktentwicklung, Marktforschung Anklang gefunden hat. Das Internet ist dafür natürlich ein geniales Medium.

Ein abgewandelter Crowdsourcing-Gedanke findet sich inzwischen in der wachsenden Bereitschaft von Führungskräften wieder, sogar Managemententscheidungen zur „Abstimmung“ zu stellen.

Da wird das Team beispielsweise befragt, ob es ein Fachkonzept einführen, ob es eine zusätzliche Stelle im Team besetzen oder sogar neue Rollen schaffen will. Dieses Vorgehen macht auch nicht vor strategischen Fragestellungen halt. Inspiriert ist es möglicherweise vom Agile Management Ansatz, eine Methode, die sich bekanntlich immer mehr Fans erarbeitet.

Das Vorgehen hat Charme und man kann es durchaus auch so machen! Allerdings sollte dieses Vorgehen richtig gut vorbereitet sein, damit es Erfolg hat und nicht für Sie zum Bumerang wird.

Mein Ratschlag daher: möchten Sie Ihre Mitarbeiter an grundlegenden Führungsentscheidungen beteiligen, so klären Sie vorher folgende Punkte für sich unbedingt ab:

  • Ist Ihr Team dazu umfassend gebrieft worden?
  • Ist Ihr Team reif genug, um die Thematik auch richtig einschätzen zu können?
  • Weiß Ihr Team um die Tragweite der Entscheidung?
  • Will Ihr Team überhaupt am Entscheidungsprozess beteiligt sein?

Damit Sie Kritik und Konflikten vorzubeugen, empfehle ich Ihnen noch folgende Kommunikation:

Erklären Sie Ihrem Team, dass
a) selbst wenn die Mehrheit sich für eine Richtung ausspricht, die Entscheidung doch anders ausfallen kann, weil es noch weitere Einflussfaktoren geben könnte und
b) Sie für den Input dankbar sind und
c) Sie als Führungskraft selbstverständlich die finale Verantwortung für die Entscheidung tragen werden.

So vermeiden Sie es, dass der der Eindruck entsteht, Sie delegieren Führungsverantwortung, was negative Folgen für Ihr Image hätte, denn, wie sagte einmal eine entnervte Mitarbeiterin über ihre Führungskraft, die fast immer zu „Umfragen“ bei wichtigen Entscheidungen neigte:

„Wenn ich das nun auch noch entscheiden soll, warum wird unser Chef dann so viel besser bezahlt als ich?“.