Warum gibt es so wenig Frauen in den Führungsetagen?

Ich habe BWL studiert. Nach vier Semestern war es Zeit, zwei Schwerpunkte zu belegen. Fleißig wie ich war, nahm ich gleich drei: Handel, EDV und Finanzen. Im Schwerpunkt Handel saßen zu 50% Mädels, bei Finanzen waren es schon weniger, ca. 20%. Und in EDV war ich dann alleine mit den Jungs. Das war 1988. Aber so ging es fröhlich weiter. 

Bei dem ersten Arbeitgeber, zugegeben ein sehr kleines Unternehmen, gab es die Sekretärin und mich.

Beim zweiten Arbeitgeber waren in meiner Abteilung ganze zwei Frauen mit dem „Prädikat“ EDV vertreten. Beim dritten… nun, es wurde nicht wesentlich besser.

Bei meinen frühen Arbeitgebern waren Frauen hauptsächlich in den Funktionsbereichen Human Ressources, Public Relations und Marketing sowie im Sekretariatsbereich unterwegs und weniger in Finance, Production oder IT.
Es waren mehrheitlich sehr gute und engagierte Frauen, doch waren sie bis auf eine Ausnahme nicht im Management vertreten.

Dann wechselte ich in amerikanische Firmen und siehe da, es gab sie dort, die exzellente IT Managerin auf VP oder Director Ebene, oder die weibliche President of Europe.

KfW Research* schrieb 2019 dazu in einem Artikel, „Außerhalb Europas weisen vor allem die USA einen relativ hohen Anteil weiblicher Manager aus, er liegt hier bei rund 41 %.“

Stimmt, Amerikaner haben diesen Anspruch in ihre europäischen Dependancen getragen.

Im Vergleich dazu werfen wir jetzt einmal einen Blick auf das Top-Management in Deutschland.

Bei KfW Research* steht im gleichen Artikel, dass in Deutschland beispielsweise bei nur 15 % der mittelständischen Unternehmen eine Frau an der Spitze steht. 

Wenn ich mir nun zusätzlich noch die DAX-Konzerne anschaue, bin ich vollständig ernüchtert.

Der Spiegel** schrieb dazu im Oktober 2020:
„Deutschland ist das einzige Land im Vergleich, in dem keiner der 30 größten Konzerne einen Frauenanteil im Vorstand von 30 Prozent erreicht. 
Deutsches Alleinstellungsmerkmal ist ebenso, dass keines dieser Unternehmen von einer Frau geführt wird. 
Elf deutsche Dax-Konzerne haben noch immer einen rein männlichen Vorstand.“  

Nochmal zur Erinnerung – wir schreiben das Jahr 2020! Warum ist das so?

Werden Frauen in Deutschland für die Chefetage schlechter ausgebildet?
Bauen Männer besonders hohe Barrieren auf, um im Herrenclub unter sich zu bleiben?
Können Frauen nicht richtig Netzwerken?
Sind wir uns zu schade für die Spielchen der Jungs?
Oder haben wir schlicht andere Lebensziele?

Ich denke, es ist tatsächlich eine ziemlich spannende Melange aus diesen zugegeben recht provokanten Thesen und noch ein bisschen mehr.

Es wird Frauen schlicht nicht leicht gemacht. 

Obwohl Elternzeit von jungen Männern immer mehr genutzt wird, sind es doch die Frauen, die eine viel längere Elternzeit in Anspruch nehmen (müssen?). Das hat Nachteile.

Ich habe viele Gespräche mit jungen Müttern geführt, die sagten, dass sie befürchten bei Ihrer Rückkehr den Anschluss verpasst zu haben. Das gilt gerade für Frauen in der IT Branche!

Vor Corona waren Reisen zu Kunden, zu internen Meetings oder Trainings mit dem sekundären Zweck zu Netzwerken, und miteinander „abzuhängen“, was manchmal der Charakter hatte, eine Schlacht überlebt zu haben…Gang und Gäbe.

Ich selber habe in meinen EMEA Jobs gefühlt Jahre mit Reisen verbracht. Meine Kolleginnen, die Mütter waren, hatten alle Hände voll zu tun, die Kinderbetreuung daheim zu organisieren. Purer Stress.

Die Männer bekamen meist ihre gebügelten Hemden von der Ehefrau in den Koffer gelegt und einen Kuss auf die Stirn.
Viel Spass, Schatz.

Ich denke, auch heute noch bestimmt das Geschlecht maßgeblich, wer raus zum Jagen geht und wer in der Höhle bleibt und Pilze sammelt.

Ich finde es nicht richtig, zumal ich felsenfest davon überzeugt bin, dass gemischte Teams erfolgreicher sind.
Das gilt für die Führungsetagen, wie für die Fachteams. 

Wir brauchen in Deutschland eine viel bessere Kinderbetreuung, mehr junge Frauen, die sich in MINT-Fächern profilieren, starke Frauennetzwerke, mehr Mentorinnen und Mentoren für Frauen, vielleicht sogar wirklich eine Frauenquote. Obwohl … das Thema ist etwas für den nächsten Artikel.

Wir brauchen selbstbewusste Frauen, die nicht eine im Hosenanzug und mit Krawatte daherkommende Kopie eines Vorstandschefs sind, sondern sie selbst, authentisch, abgeklärt und vor allem nicht naiv.

Denn, dass „Frau“ etwas darf (siehe Frauenquote) heißt noch lange nicht, dass „Mann“ sie auch akzeptiert.

Deshalb sollten Frauen auch auf die unangenehmen Seiten der Führung und davon gibt es mehr als genug, vorbereitet sein.

Bleiben Sie also dran, wenn ich mich im nächsten Artikel zum Thema „Frauen im Management“ mit diesem Aspekt beschäftige. 

Quellen:
*KfW Research, Frauen in Führungspositionen – Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland hinterher, Februar 2019, Dr. Jennifer Abel-Koch
**Spiegel, Globales Schlusslicht Deutschland, Oktober 2020, Florian Gontek