Warum ein unterschiedliches Werte- und Prinzipienverständnis den Projekterfolg gefährden kann

Das ist immer so eine Sache mit den Witzen. Nicht jeder Witz kommt bei allen gleich gut an. Warum ist das so? Arthur Schopenhauer sagte einmal: „…bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.“

Es geht also um Wahrnehmung, sowie um Werte und Prinzipien nach denen man lebt. Sind diese sehr unterschiedlich, finden Menschen schwerer zusammen, wenn überhaupt. So ähnlich ist das auch in Firmen. Die eine Firma hat ausgefeilte Hierarchien und Führungskräfte, die auf Statussymbole stehen, in der anderen Firma duzen sich alle und haben kein eigenes Büro mehr, dafür aber viel Home Office.

Es sind halt unterschiedliche Kulturen und wahrscheinlich auch Führungsstile.

Bei der Projektanalyse, die ich bei Krisenprojekten durchführe, um zu verstehen, wo die Ursachen für die Projektkrise liegen, schaue ich gerne auch auf die Faktoren Unternehmenskultur und Führungsstil und wie Projekte gelebt werden.

Große Unterschiede zwischen Unternehmens- und Projektkultur können ein Grund für die Schieflage eines Projektes sein, wenn z.B. Projektteilnehmer*innen aus stark hierarchisch geprägten Unternehmen bzw. Abteilungen, in denen zumeist eine geringe Fehlertoleranz und enges Führen vorherrscht, in ein agiles Projekt integriert werden sollen.

Agil geführte Projekte, bei denen Fehlertoleranz und sich selbst organisierende Teams eine große Rolle spielen, können mit solchen Projektteilnehmern*innen schnell Konflikte bekommen.

Da kommen nämlich Mitarbeiter*innen zusammen, die unterschiedliche Vorstellungen von der täglichen Zusammenarbeit haben.

Haben die einen das klare Bedürfnis, z.B. offene und ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe mit der Projektleitung und dem Team zu betreiben und selbstorganisiert zu arbeiten, sind die anderen daran interessiert, nur zu wissen, was sie denn heute zu tun haben, um sich dann wieder in ihrem Büro einzuigeln.

Diese Menschen fordern eine enge Führung ein, finden die täglichen Stand-Ups überflüssig und auch die vielen Abstimmungen. Das ist aus ihrer Sicht „zu viel Gekuschel“..

Dieses Verhalten kann zwar durchaus durch die Persönlichkeitsstruktur bedingt sein, es kann aber auch dadurch bedingt sein, dass die Teammitglieder im Projekt aus sehr unterschiedlich geführten Unternehmensbereichen stammen.

Ich habe tatsächlich Konzerne kennengelernt, die in der einen Einheit stark hierarchische Strukturen aufwiesen und in der anderen Einheit auf breiter Ebene agiles Management praktizierten.

Konflikte in Gemeinschaftsprojekten waren da vorprogrammiert.

Und es kann noch komplizierter werden, wenn z.B. Softwareentwickler als Dienstleister mit Teammitgliedern aus nicht-agilen Kundenbereichen produktiv zusammenarbeiten sollen und die Kundenprojektleitung eher zu einem autoritären Führungsstil neigt.

Softwareentwicklungsunternehmen sind nämlich fast ausschließlich agil unterwegs und haben sich vier agilen Werten verpflichtet:

  • Individuen und Interaktionen haben Vorrang vor Prozessen und Werkzeugen,
  • funktionsfähige Produkte sind wichtiger als Dokumentationen,
  • Zusammenarbeit mit Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlung und
  • Eingehen auf Veränderungen ist wichtiger als strikte Verfolgung eines Plans.

Sollte das ein Auftraggeber nicht verstehen bzw. nicht mittragen, dann entstehen Wertekollisionen, die den Projekterfolg gefährden. 

Deshalb ist es aus meiner Sicht gleich zu Anfang eines Projekts erforderlich, die Werte und Prinzipien der Zusammenarbeit im Team zu formulieren und miteinander abzustimmen.

Vielleicht ist es sogar erforderlich, auch das agile Projektmanagement allen nochmal näher zu bringen, um sozusagen mit einem gemeinsamen Verständnis in das Projekt starten zu können.

Das Begreifen der Werte und Prinzipien des anderen und das Ableiten gemeinsamer Werte und Prinzipien ist ein wichtiger Prozess, der bei der Kick-off Veranstaltung besser bereits abgeschlossen sein sollte.

Es empfiehlt sich m.E. im Rahmen des Kick-Offs, die gemeinsamen Werte und Prinzipien dem Sponsor, dem Lenkungskreis, dem externen Projekt-Team und dem internen Projekt-Team nochmal vorzustellen und deren Unterstützung offiziell einzufordern. 

Im Prinzip spreche ich also von einer “Team-Charta“.

Diese Charta muss natürlich regelmäßig im Projektverlauf auf ihre Einhaltung hin geprüft werden, denn sonst ist sie nur ein zahnloser Tiger.

Welche „Team-Charta“ Inhalte haben sich nun in meinen Projekten als förderlich für den Projekterfolg erwiesen?

Im Grunde waren es immer die gleichen Werte und Prinzipien, mit denen ich punkten konnte:

  • Zusammenhalt
    • wir sind ein Team, unser Ziel: Projekterfolg,
    • wir sind lösungs- und nicht problemorientiert,
    • wir helfen uns gegenseitig,
  • Kundenorientierung
    • wir wollen den Kunden nicht nur zufriedenstellen, wir wollen ihn begeistern,
    • wir nehmen Change Requests positiv auf,
  • Integrität
    • wir gehen respektvoll miteinander um,
    • wir sind verlässlich,
    • wir gestehen Fehler ein,
    • wir hören einander zu,
  • Qualität
    • wir liefern regelmäßig und korrekt,
    • wir zeigen mögliche Verzögerungen rechtzeitig und offen an.

Diese vier Punkte mit ihren Unterpunkten sind in Frageform auch ein Bestandteil meiner Projektanalyse für Projektkrisen. Sie helfen mir, eine belastbare Projektprognose zu entwickeln.

FAZIT:
Das Beheben eines solchen Cultural Clashs ist sehr anstrengend und schwierig.

Deshalb empfehle ich Ihnen, WEHREN SIE DEN ANFÄNGEN und starten Sie Ihr nächstes Projekt unbedingt mit einer abgestimmten „Team-Charta“.