LOVE IT, LEAVE IT OR CHANGE IT

Was motiviert einen Menschen, in einem Unternehmen zu bleiben, obwohl das Unternehmen dem Menschen nicht gut tut? Auf den ersten Blick könnte man meinen, es sind rein wirtschaftliche Gedanken. Die Lage in Deutschland ist angespannt. Man kann froh sein, einen Job zu haben. Das ist natürlich DAS Alibiargument, um auch vor sich selber eine Begründung zu haben, warum man in einem unangenehmen Umfeld freiwillig verbleibt.

Vielfach sind die Gründe dafür subtiler.

Da ist zum einen die Angst, sich dem Wettbewerb zu stellen, sich ­­wieder verkaufen zu müssen und die Frage, ob man überhaupt noch auf neudeutsch „eligible“ ist, der Nachfrage entsprechend qualifiziert. Und da ist auch der bröckelnde Glauben an sich selbst. Was ist, wenn man den neuen Job dann hat? Reicht das Wissensniveau noch aus, um beim neuen Arbeitsgeber nachhaltig zu punkten, so dass man nicht gleich wieder vor die Tür gesetzt wird?

Viele haben auch Hemmungen, grundsätzlich die Komfortzone zu verlassen. Warum der oder die Neue sein und wieder Probezeit haben? Im jetzigen Unternehmen kennt man seine „Pappenheimer“, weiß wie das Management tickt. Man kennt alle unsäglichen Unternehmensprozesse und kann sich über diese wunderbar echauffieren. Man hat sich also im Aussitzen, im Ertragen, im Nörgeln eigentlich gut eingerichtet. 

„Don’t fight the system, play the system“

Mir ist aufgefallen, dass daraus sogar eine Art Überlebensphilosophie entstehen kann, die jedem neuen Kollegen oder neuer Kollegin gleich mitgegeben wird: „Don’t fight the system, play the system“. Und schon verhindert man, dass die Neulinge „frech“ werden und etwas verändern wollen. Das geht ja sowieso nicht.

Und falls man sich grundsätzlich doch vorstellen kann, zu gehen, dann bitte mit der höchstmöglichen Sicherheit. Also wartet man auf die nächste Abfindungsrunde. Dann hat man idealerweise einen neuen Job und geht mit einem schönen Polster. Zugegeben, das ist der Idealfall, er ist aber nur ganz Wenigen vergönnt. Ich habe Menschen kennengelernt, die völlig desillusioniert ihrem Tagesgeschäft nachgingen und tatsächlich jahrelang auf Abfindungsangebote warteten, anstatt sich proaktiv zu bewerben. 

Zur Ehrenrettung einiger dieser Wartenden sei gesagt, hier spielt natürlich auch das Alter eine Rolle.

Warum sollte man sich mit 62 Jahren noch einmal aufraffen, sich aus der Komfortzone begeben und sich in einem anderen Unternehmen wieder behaupten müssen? Und wie sähen die Chancen überhaupt aus? Unser Arbeitsmarkt ist zwar nicht mehr dem Jugendwahn verfallen wie vor 15 oder 20 Jahren, aber „Silver Ager“ sind in Deutschland nur dann gut gefragt, wenn sie eine Käufergruppe darstellen und nicht als teure und vermeintlich krankheitsanfällige Personalressourcen. Dann lieber doch 5 Jahre aussitzen.

Aber mal ehrlich, mit 50 Jahren sollte man so doch nicht verfahren?

Ich traue mich mal, eine provokante These aufzustellen: Unternehmen, die ein solches Verhalten, wie oben skizziert, erzeugen oder fördern, vielleicht auch teils völlig unbeabsichtigt, sehen Mitarbeitende nicht als Partner und Mitunternehmer, sondern nur als Kostenfaktor, den es langfristig zu minimieren gilt. Trotzdem wird maximaler Output während der Dauer der Unternehmenszugehörigkeit erwartet.

Mein Rat für alle Nicht-Partner und Nicht-Mitunternehmer ist daher: Reflektieren Sie Ihre Situation.

Stört es Sie NICHT, so wie gerade beschrieben, gesehen zu werden, mit allen Konsequenzen, die das mitbringt. Dann bleiben Sie, wo Sie sind. Aber hören Sie auf, alles schlecht zu reden und andere mit runter zu ziehen. Sie haben sich für die „LOVE IT“ Komponente entschieden.

Wenn es Sie DOCH stört, dann packen Sie es an. Entscheiden Sie sich für die „CHANGE IT“ Komponente. Klappt es, dann freuen Sie sich, dass Sie der stetige Wandel sind, den Ihr Unternehmen brauchte.

Wenn Sie aber KEINE Änderungen bewirken können, oder Sie ausgebremst werden, dann haben Sie immer noch die Wahl zwischen „LOVE IT OR LEAVE IT“ und es heisst dann für Sie akzeptieren oder quittieren.

Das dieses hier beschriebene Verhalten auch mit einem „Slogan“ versehen werden kann, war mir bis zu einem Personalgespräch vor vielen Jahren gar nicht bewusst gewesen. Ich musste eine Kündigung von einer meiner besten Mitarbeiterinnen entgegennehmen. Ihr war unser gemeinsamer Arbeitgeber zu einengend, zu visionslos, zu sehr auf Profit und zu wenig auf die fokussiert, die den Profit erwirtschafteten.

Sie sah absolut keine Möglichkeit, dass sie oder ich das hätte ändern können, so gravierend waren die Dissonanzen ihrer Meinung nach.

Sie eröffnete unser Gespräch mit den Worten, „mein Motto lautet: LOVE IT, LEAVE IT OR CHANGE IT und deshalb gehe ich“. Zugegeben, das kam mir zunächst wie ein Kalenderspruch oder der Inhalt eines Glückskekses vor. Ich war auch etwas geschockt, weil ich keine Anzeichen für diese Konsequenz vorher erkannt hatte – shame on me. Trotzdem habe ich diese Logik danach für mich analysiert.

LOVE IT, LEAVE IT OR CHANGE IT ist im ureigenen Sinne nicht an Konsequenz zu überbieten.

Mein Rat ist jedoch, geben Sie dem Unternehmen auch eine reale Chance. Versuchen Sie keine halbherzigen Vorstöße. Sprechen Sie den Veränderungsbedarf, den Sie sehen, zeitnah und proaktiv an. Geben Sie der Umsetzung Ihrer Vorschläge eine realistische zeitliche Begrenzung.

Wenn sich danach nichts bewegt hat, dann sollten Sie sich final entscheiden: Lernen Sie es noch, ihr Unternehmen so zu lieben wie es ist? Oder geben Sie einem anderen Unternehmen die Chance, Sie wertzuschätzen?